Teilhabe in der Seelsorge.
In der Erzählung von der Heilung des Taubstummen 1 heißt es: „Jesus nahm ihn beiseite, von der Menge weg“, und erst dann wendet er sich ihm zu: „Er legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel”2 Was tut Jesus hier?
Er baut zuerst behutsam eine Beziehung zu dem gehörlosen Mann auf, indem er ihn beiseite nimmt und sich seiner Behinderung widmet. Dadurch gibt er ihm Privatheit und nimmt seine Behinderung ernst. In unserer Sprache heute sagen wir: Jesus begegnet ihm auf Augenhöhe.
Wenn sich andere in unserer christlichen Gemeinschaft wohlfühlen sollen, müssen wir genau das tun: Wir müssen zuerst behutsam Beziehung aufnehmen, damit Begegnung stattfinden kann; die kann dann auch heilsam werden. Im Beispiel der Heilung des gehörlosen Mannes heißt das: Jesus muss den Mann ansehen, während er mit ihm spricht; erst dann kann der sehen, was Jesus ihm sagen möchte. Für uns heute könnte das heißen, dass ich z. B. mit einem Schwerhörigen deutlich und gut artikuliert spreche, so dass er mich gut sehen und vielleicht von den Lippen absehen kann, was ich sage. An anderer Stelle wird berichtet, dass Jesus einen Blinden heilt. 3 Da fragt er ihn zuerst: „Was willst Du, das ich dir tun soll?“4 Klar liegt es auf der Hand, dass er sehen möchte. Jesus stellt die Beziehung zu ihm aber so vorsichtig her, dass er dem Blinden zuerst Gelegenheit gibt, zu sagen, was er möchte. Jesus will ihn nicht bevormunden; er soll sein Anliegen zuerst selbst aussprechen. So zeigt er ihm, dass er ihn ernst nimmt – ein sensibles Vorgehen, das uns im Umgang mit Menschen, die mit einer Behinderung leben, ein Vorbild sein sollte.
Das Ziel in der Seelsorge muss es sein, jedem Menschen unabhängig von seinen körperlichen, geistigen, seelischen, ethnischen, geschlechtlichen oder kulturellen Voraussetzungen so achtsam und interessiert zu begegnen, wie Jesus es uns vorgelebt hat. In unseren christlichen Gemeinschaften müssen wir darauf achten, dass wir behutsam Begegnungen herstellen und so Beziehung zu den Menschen um uns herum aufnehmen.
Dazu stehen uns heute für die Begegnung mit Menschen mit Behinderungen viele technische und mediale Hilfsmittel zur Verfügung. Wir können sehr viel lernen vom Beispiel Jesu: wie achtsam er Begegnung möglich macht und wie daraus heilsame Beziehung entstehen kann. Das vorliegende Heft zeigt Möglichkeiten auf, wie Sensibilität und Offenheit Raum schaffen für Begegnungen in den Gemeinden und Einrichtungen sowie an allen Orten der Seelsorge in unserem Erzbistum. Es beschreibt, wie die Begegnung mit anderen Menschen Beziehung als etwas Heilsames erfahrbar machen kann. Und so kann Kirche zum Raum werden, in dem der einzelne wie auch die Gemeinde aktiv wird, damit alle am Gemeindeleben teilhaben können.
Herzliche Grüße,
Dr. Dominik Meiering
Generalvikar
1 (Mk 7, 31–37) 2 (Mk 7, 33) 3 (Mk10, 46–52) 4 (Mk10, 51)
Worte aus der Bibel
Gott machte alle Arten von Tieren des Feldes, alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war.
Dann sprach Gott:
Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. (Gen. 1, 26–27)
„Katholisch“ bedeutet: alle bilden zusammen ein Ganzes.
„Inklusiv“ bedeutet: alle gehören dazu, und alle haben das gleiche Recht auf Teilhabe. Darum ist Inklusion im wahrsten Sinne des Wortes katholisch.
Jeder von uns ist anders. Aber bei aller Verschiedenheit ist jeder als Abbild Gottes erschaffen. Christen glauben, dass Gott den Wert und den Sinn eines jeden menschlichen Lebens garantiert. Welchen Sinn und Wert das Leben hat, kann sich der Mensch deshalb letztlich nur von Gott sagen lassen.
(vgl. ULGT, 2003, S. 8)
Unsere Aufgabe als Christen ist es, Teilhabe zu ermöglichen:
Das bedeutet für uns, achtsam auf den Mitmenschen zu schauen, auf Augenhöhe zu sein. Es bedeutet aber auch, dass Menschen mit Behinderung ihre Kompetenzen einbringen können und dürfen. Hier sind wertvolle Potentiale, die die Gemeinschaft bereichern.
„Inklusion darf nicht nur ein hochgestecktes Ziel sein, sondern muss konkret erfahrbar sein für die Betroffenen und die ganze Gesellschaft.“
(Rainer Maria Kardinal Woelki, 2014)
Für das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung hängt viel von der Haltung ab, mit der wir einander begegnen:
Diese Haltung wird darüber entscheiden, ob wir einander auf Augenhöhe begegnen können. Vielfach müssen erst die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen wie kirchlichen Geschehen teilhaben können.
Worte aus der Bibel
Jakob blickte auf und sah: Esau kam und mit ihm vierhundert Mann. Da verteilte er die Kinder auf Lea und Rahel und auf die beiden Mägde. Esau lief ihm entgegen, umarmte ihn und fiel ihm um den Hals; er küsste ihn, und sie weinten.
Dann blickte Esau auf und fragte: Was willst du mit dem ganzen Auftrieb dort, auf den ich gestoßen bin? Jakob erwiderte: Wenn ich dein Wohlwollen gefunden habe, dann nimm das Geschenk aus meiner Hand an! Denn dafür habe ich dein Angesicht gesehen, wie man das Angesicht Gottes sieht.
Du bist mir wohlwollend begegnet; so hat Gott mir Wohlwollen erwiesen.
(Gen 33, 1. 4 –11, Auszüge)
Zwei Brüder begegnen sich bewusst und absichtlich; mit viel Unsicherheit und Angst gehen beide aufeinander zu. Sie lassen sich darauf ein, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Das gelingt ihnen, weil sie achtsam und wertschätzend aufeinander zugehen.
In dieser Haltung, in der ich mich auf eine Begegnung auf Augenhöhe einlasse, kann es geschehen, dass ich im Angesicht des anderen –, wie es die Schriftstelle formuliert: „das Angesicht Gottes sehe“.
Auch wenn dieser andere eine Behinderung hat, auch wenn er Flüchtling oder schwer krank ist, kann es sein, dass ich in ihm das Angesicht Gottes erkenne. Dann fällt es mir vielleicht leichter, mich für die gerechte Teilhabe dieses Nächsten einzusetzen. Dann kann sich auch in kirchlichen Einrichtungen eine inklusive Struktur und Kultur entwickeln (nach Pithan u.a.,5), in der ein echtes Miteinander eine Chance hat.
„Sport und Spiel bringen uns näher zusammen.
Schon viele Jahre rolle ich mit bei kirche läuft und familien.spiele.fest.
Seit einem Motoradunfall bin ich querschnittgelähmt und auf meinen Rollstuhl angewiesen. Sport bedeutet alles für mich!
familien.spiele.fest bietet ein tolles Programm für meine ganze Familie. Die Kinder finden überall Sport- und Spielangebote.
Sie sind den ganzen Tag beschäftigt. Für Leute, die mit einer Behinderung leben, ist es toll, dass Kirche so ein Event anbietet. Da sieht man von weitem eine riesige aufblasbare Kirche, in der es Kaffee und Kuchen gibt!
Wunderbar finde ich auch, dass man hier mit Pfarrern und Mitarbeitern der Kirchen völlig unkompliziert ins Gespräch kommt. Einmal war ich in einer Gesprächsrunde dabei; da haben wir über Politik und unsere Verantwortung in der Gesellschaft gesprochen. Wir haben aber auch Witze gemacht und Spaß gehabt. Erst am Ende habe ich gemerkt, dass einer in der Runde nicht nur ein engagierter Christ, sondern Pastoralreferent war! Beim Startschuss für den 10 Meilenlauf sah ich ihn dann als aktiven Läufer.
„Wir sind gehörlose Lektoren und Mitglieder im Gebärdenchor.“
Ich bin gehörlos geboren und aktives Mitglied in der Integrativen Gemeinde St. Georg. Das ist eine katholische Gemeinde in Köln für Menschen mit und ohne Hörbehinderung. Ich fühle mich hier wohl.
Ich bin als gehörlose Lektorin im Gottesdienst. Wir bereiten zusammen mit dem Pfarrer oder
der Referentin die Bibeltexte für die Messe vor. Bei unseren Treffen lesen wir die Texte und sprechen dann über den Inhalt. Danach arbeiten wir zusammen an der Übersetzung in die Gebärdensprache. In der Sonntagsmesse liest dann ein hörender Lektor die Lesung laut mit Stimme, und ich trage zeitgleich den Abschnitt in Gebärdensprache vor. So sind wir fast synchron. Der Bibeltext hält uns zusammen. Wir achten aufeinander und lesen der Gemeinde zusammen aus der Bibel vor! Es macht in der Gruppe sehr viel Spaß, uns gemeinsam mit den Bibeltexten zu beschäftigen, und ich bin stolz darauf, am Sonntag in der Messe das Wort Gottes vortragen zu können.
Im Gebärdenchor bin ich auch mit dabei. So wie normal Hörende zusammen singen und dabei eine schöne Melodie zu hören ist, so gebärden wir zusammen, und dabei entsteht ein schönes Bild.
Die Gebärdenlieder tragen wir in sehr poetischer, ausdrucksstarker Gebärde vor. Aber wir Mitglieder des Gebärdenchores sind ja alle gehörlos, darum brauchen wir eine hörende Chorleiterin. Die gibt passend zum Gesang das Tempo der Gebärden vor. Dadurch können Hörende und nicht-Hörende in der Messe zusammen „singen“: für die Ohren und die Augen!
Worte aus der Bibel
Sie kamen nach Jericho. Als er mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jericho wieder verließ, saß an der Straße ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Viele wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und sagte:
Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief zu Jesus. Und Jesus fragte ihn:
Was soll ich dir tun?
Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dir geholfen. Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg.
(Mk 10, 46–52)
Fragen wie diese benötigen als Grundhaltung Offenheit und Interesse anderen gegenüber. Eine „Kultur der Achtsamkeit“, wie sie bereits im Wort der Bischöfe von 2003 gefordert wurde (ULGT, 3), sollte in unserem Alltag zur Selbstverständlichkeit werden. Eine kirchliche Gemeinschaft, in der sich einer um den anderen sorgt, schaut nach den Bedürfnissen des einzelnen.
Selbstbestimmt zu leben, heißt, Alternativen zu haben, die eine wirkliche Entscheidung möglich machen. Dazu müssen jedoch in vielen Fällen zuerst Barrieren abgebaut werden. „Barrierefreiheit – also eine Orientierung an den Interessen und Bedürfnissen der Schwächsten, sollte eine Selbstverständ- lichkeit kirchlicher Bauweise, kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit, kirchlicher Verlautbarungen und kirchlicher Sozialformen und Aktivitäten sein.“
Dennoch steht es nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Teilhabe, dass es auch weiterhin Angebote der Solidargemeinschaft geben muss. D. h.: Aktivitäten in der eigenen Community sind kein Verstoß gegen die Inklusion. Sie bleiben Bestandteil der Identität des Individuums und müssen als Teil inklusiven Denkens und Handelns gesehen werden. Es geht ja nicht darum, „Fürsorge aus dem Handlungsrepertoire der Kirche zu streichen, vielmehr wird sie als Assistenz zu selbst bestimmter Teilhabe nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.“
(Bell-D’Avis, 243)
So der spontane Kommentar eines Mitarbeiters in einer Einrichtung für Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. Dieser Satz beschreibt zutreffend die Atmosphäre in dem gerade gemeinsam gefeierten Gottesdienst mit den Bewohnern, den Mitarbeitern und den Angehörigen.
Der Pfarrer, der als Seelsorger für Menschen mit geistiger Behinderung beauftragt ist, versteht es in besonderer Weise, das Wort Gottes jedem Gottesdienstteilnehmer nahe zu bringen. Dazu benutzt er leichte Sprache, und man merkt, wie sehr ihn selbst die Glaubenszeugnisse der Menschen in diesem Gottesdienst berühren.
Spürbar für alle ist die tiefe Spiritualität eines jungen Mannes mit schwerer geistiger und motorischer Behinderung, der den Gottesdienst mit seinem Trommelspiel mitgestaltet. Dabei nimmt er andere mit in seine Erfahrungswelt von Gottesnähe und lässt sie daran teilhaben. Der Pfarrer sagt: Hier spürt man den
„Gipfel der Inklusion”, – den Glauben, der Menschen unbehindert zusammenführt und zusammenhält.
„Gemeinsam in die Ferien!”
Er ist auch in diesem Jahr wieder mit dabei beim Sommercamp in Holland. Hierhin fahren jedes Jahr Kinder mit und ohne Behinderung im Alter zwischen 8 und 12 Jahren. Begleitet werden sie von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen und evangelischen Behindertenseelsorge. Auch Gruppenleiter mit und ohne Behinderung sind dabei sowie ehrenamtliche Helfer, die die Einzelbetreuung von Kindern mit schweren Mehrfachbehinderungen sicher stellen.
Darian kann nicht sprechen, und aufgrund einer chronischen Erkrankung braucht er außerdem jemanden, der ihm regelmäßig beim Kathederwechsel hilft. Aber man spürt, dass Darian sich in der Gemeinschaft von Kindern und Jugendlichen gut aufgehoben fühlt. In der Gemeinschaft von Kindern und Jugendlichen weiß er sich gut aufgehoben. Er schaut den anderen gerne beim Schwimmen zu. Er selbst ist begeisterter Reiter. Er liebt es, seinen Kopf auf die lange Mähne des Ponys zu legen, auf dessen Rücken er sitzt. Darin lebt mit dem Vertrauen, dass auf seine besonderen Bedürfnisse geachtet wird.
Worte aus der Bibel
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Weiter sagte Jesus zu Ihnen: Amen, amen, ich sage euch:
Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
(Joh 10, 7–9,1 0, 11)
Menschen, die tagtäglich ihre Behinderung oder reale Benachteiligung spüren, haben ein Recht darauf, am Leben der Gemeinschaft teil zu haben. Ihnen diese Teilhabe in unserer Gesellschaft wie auch in den Kirchen zu ermöglichen, ist unser aller primäre Aufgabe. Es geht darum, Lebensräume zu schaffen, die vielleicht ein wenig davon spüren lassen, was Jesus mit Leben in Fülle meint: Gleichermaßen teil zu haben und aufgehoben zu sein in der Herde.
Dazu gibt es kein Programm oder Rezept, nach dem das geschehen muss. Vielmehr geht es um Prozesse und Entwicklungen, in denen wir immer noch mehr für das Leben in Beziehung tun können. Und das muss keiner alleine schaffen, das leisten wir nur gemeinsam. Die Vielfalt der unterschied-lichen Talente fügt das Ganze, die Herde erst zusammen.
So ist jeder Mensch mit dem, was er einbringt, eine Berei-cherung. Das Organisationstalent des einen, der Gesang des anderen und das handwerkliche Geschick des dritten machen das Ganze, die Fülle des Lebens aus. Darum bemühen sich engagierte Christen.
Viele Männer und Frauen, die einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik hinter sich haben, treffen sich nachher regelmäßig im Paulushaus in Köln oder, wie es hier auch heißt, in „Seelsorge und Begegnung“.
„Seelsorge und Begegnung“ ist eine Einrichtung, die Raum schafft für heilsame Begegnungen, die Menschen brauchen, wenn sie eine schwere psychische Erkrankung hinter sich haben. Manche werden auch ein Leben lang von einer psychischen Behinderung begleitet. Da tut ein seelsorgliches Gespräch in einer ansprechenden und ruhigen Umgebung gut. Andere erzählen in der Schreibwerkstatt von den Texten, die sie geschrieben haben.
Zart
Eine Brücke
dünn wie dein Haar.
Ein Bach aus Licht
durch dein Herz
bis zum Mond.
Ein Blick aus Magnet,
der dich offenbart.
Hände, die dich lesen,
und schweigen.
Eine Geste aus der Tiefe.
Fasern der Ewigkeit.
Wie sie es erfahren haben, dass Gott ihrem Leben Sinn gegeben hat, mag oft mehr in einem Bild zum Ausdruck kommen als in Worten. Andere können das Schlimme, das ihre Seele bedroht, nur schreiben, aber nicht erzählen. Oder wenn sie Menschen begegnen, die ihnen in ihrer tiefsten Trauer beistehen (auch wenn sie ihnen diese Trauer nicht abnehmen können), erfahren sie darin, dass Gott ihnen durch diese Menschen nahe ist.
Inklusive Seelsorge bedeutet in den Räumen von „Seelsorge und Begegnung“ in der Kölner Südstadt, Zeit miteinander zu verbringen, um solchen Erfahrungen Raum zu geben und wieder Aufatmen zu können und vielleicht eine Ahnung von „Leben in Fülle“ zu bekommen.
Worte aus der Bibel
Und als er einige Tage später nach Kafarnaum zurückkam, wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich so viele Menschen, dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war. Und er verkündete ihnen das Wort.
Da brachte man einen Gelähmten zu ihm, der wurde von vier Männern getragen. Weil sie ihn aber wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen die Decke durch und ließen den Gelähmten auf seiner Tragbahre durch die Öffnung hinab.
(Mk 2, 1–4)
Wenn Menschen mit Behinderungen an unserem Gemeindeleben teilhaben sollen, müssen wir die Barrieren, die sie daran hindern, abbauen. Wichtig ist zunächst, „Barrieren in den Köpfen“ abzubauen. Wir lassen uns von den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung immer noch zu leicht ablenken. Wir denken „Das ist auch nicht wirklich wichtig“ oder „Da wird sich schon einer finden, der helfen kann!”
Oft ist die Barriere, die am Ende dem Behinderten die Teilhabe unmöglich macht, von Anfang an bei uns im Kopf.
Wir müssen überlegen, was wir schon ohne größeren Aufwand tun können, damit Menschen kommen und sich wohlfühlen. Nicht erst die neueste technische Anlage oder der perfekteste Zugangsweg dürfen die Lösung sein. Oft ist es am Ende die gemeinsame Anstrengung, die eine Teilhabe möglich macht und (als Nebeneffekt) die Gemeinschaft der (behinderten und nicht-behinderten) Beteiligten zusammen- schweißt.
Darüber hinaus können Maßnahmen das Wir-Gefühl der Gruppe festigen wie z. B. Informationsveranstal- tungen, Gesprächsabende und informelle Treffs für Teilnehmer mit und ohne Behinderung. Hier kann auch unkomplizierter erörtert werden, was verbesserungswürdig und was wiederholenswert ist.
Er nimmt an einem Begegnungswochenende für Menschen mit und ohne Sehbehinderung zum Thema
„Christentum und Islam“ im Maternushaus in Köln teil. Da er mit seinem Handy ins Internet möchte, fragt er eine junge Auszubildende an der Rezeption, ob sie ihm helfen kann. Die junge Frau ist zunächst unsicher, wie sie einem blinden Menschen etwas auf dem iPhone zeigen soll. „Er kann ja nicht sehen, was ich ihm zeige.“ denkt sie. Aber sie fängt einfach mal an: Sie fragt ihn, redet mit ihm und ist zunehmend erstaunt, wie gut es gelingt.
Der blinde Mann und die junge Auszubildende fangen an über Handys zu fachsimpeln. Er zeigt ihr Funktionen auf dem Handy, die sie auf ihrem eigenen I-Phone noch nie entdeckt hat. Am Ende hat sein Handy Internetzugang und auch die Auszubildende hat viel gelernt. Sowohl über ihr eigenes Smart- phone als auch darüber, wie gut es ist, einfach mal anzufangen und Menschen mit Behinderung nicht zu unterschätzen.
Hier finden Sie:
1.
Eine Hinweisliste, die helfen kann, mehr Menschen Teilhabe am Gemeindeleben zu ermöglichen.
2.
Eine Wunschliste, die Menschen mit Behinderungen selbst ausfüllen können und die dazu dient, die persönlichen Wünsche nach mehr Teilhabe zum Ausdruck zu bringen.
3.
Eine Checkliste, die den Gemeinden und Gemeinschaften hilft zu reflektieren, was sie bereits erreicht haben und was vielleicht noch zu verbessern ist.
Aufklärung durch Information
Das Katholische Bildungswerk bietet Veranstaltungen an, die gerne einen hilfreichen Beitrag leisten. Angebote im Erzbistum Köln:
www.erzbistum-koeln.de/kultur_und_bildung/erwachsenen und familienbildung/
Angebote in Ihrer Region:
www.erzbistum-koeln.de/kultur_und_erwachsenen_und_familienbildung/bildungswerke/ www.erzbistum-koeln.de/kultur_und_bildung/erwachsenen und familienbildung/familienbildungsstaetten/
Ein Aktionstag zum Thema „Unbehindert Glauben teilen“ in Verbindung mit einem Pfarrfest, einem Besinnungstag oder einem Bildungstag zu dem auch Menschen mit Behinderungen als Referenten einge- laden werden, ist eine Maßnahme.
Am Ende dieses Tages könnte ein Plan entstehen, der sich konkret nach den Bedürfnissen der Gemeinde ausrichtet und festhält, was für und mit Menschen mit Behinderung und ihre Familien in der Gemeinde getan werden kann, damit sie sich als Teil der Gemeinde erleben.
Auch die Mitarbeitenden der Behinderten- und Psychiatrieseelsorge in den Regionen unseres Erzbistums beraten und begleiten Gemeinden gerne, wenn sie sich auf den Weg machen, Teilhabe für alle zu ermöglichen. Diese Ansprechpartner finden Sie für ihre Region auch im Internet unter:
Aktiv werden und Barrieren abbauen
einbauen, damit es die baulichen Gegebenheiten möglich machen, mit Rollstuhl, Rollator oder Kinder- wagen in die Kirche und die Gemeinderäume zu gelangen. Hinweise dazu finden Sie im Internet unter: www.nullbarriere.de (Fachportal für barrierefreies Bauen)
in der Kirche zur Verfügung stellen, um dem gesprochenen Wort im Gottesdienst folgen zu können; eine ebensolche Hörhilfe kann auch in den Gemeinderäumen eingesetzt werden. Auch mobile Anlagen sind sehr gut und können auch zu Veranstaltungen außerhalb mitgenommen werden. Hinweise dazu finden Sie im Internet unter:
www.schwerhoerigen-netz.de/dsb/service/hoeranlagen/fleyer.pdf
(Induktive Hoeranlagen. Richtlinien für den Auftraggeber)
wenn Mitglieder der Gemeinde oder Kolleginnen und Kollegen psychische Probleme haben, finden Sie im Internet unter:
www.seelsorge-und-begegnung.de
im Kirchenraum, die Menschen mit Hör- und Sehbehinderung einen möglichst unbehinderten Blick auf das Geschehen im Altarraum ermöglicht eine Markierung im Bodenbelag, für Menschen mit Blindheit, die sie erkennen lässt, wo der Eingang zur Kirche ist oder wo Stufen sind. Hier hilft aber auch schon die Nachfrage, ob man jemanden begleiten kann, wenn man eine Unsicherheit erkennt.
einplanen und anfragen z. B. für Elternabende im Rahmen der Vorbereitung hörender Kinder gehörloser Eltern auf die Erstkommunion, damit sie kommunikative Unterstützung haben. Auch zu anderen Anlässen wie Hochzeiten, Jubiläen oder auch bei Beisetzungen sind Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Familienangehörige und Freunde eine wichtige Unterstützung. Ansprechpartner dazu finden sie im Internet unter:
für Veröffentlichungen, Pfarrnachrichten, Pfarrbriefe, Veranstaltungshinweise u. ä. helfen auch Menschen, die hier Unterstützung brauchen. Hinweise dazu finden sie unter:
www.bmas.de/sharedocs/downloads/de/pdf-publikationen/a752-ratgeber-leichte-sprache.pdf
ansprechen, die Rollstuhlfahrer aus der Gemeinde, aus dem benachbarten Altenheim oder anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe im Gemeindegebiet zu Gottesdiensten und Veranstaltungen begleiten. Ehrenamtliche Begleiter, die auch Menschen in den Gottesdienst oder zu anderen Veranstaltungen begleiten, die keine Gehbehinderung haben, aber nicht alleine kommen möchten oder es aus unterschiedlichen Gründen, z. B. durch eine psychische Behinderung auch nicht alleine können. Denn Barrieren abbauen heißt, auch, Assistenz zur selbstbestimmten Teilhabe geben.
Allgemeine Informationen zum Thema Barrierefreiheit
www.barrierefreiheit.de/verhandlungen.html
(Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, diverse Zielvereinbarungen)
www.behindertenrechtskonvention.info
www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-Inklusion/erklaerung-teilhabe-behinderter-menschen.html
www.gemeinsam-einfach-machen.de
(Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention)
(Angemessene Begrifflichkeiten im Umgang mit Menschen mit Behinderung)
Handbuch Behindertenrechtskonvention.
Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe. Degener, Theresia und Diehl, Elke (Hrsg.), Bonn 2015
Und hier könnten Sie Ihre Ideen und Vorschläge zum Abbau von Barrieren aufschreiben:
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Wo gibt es in meiner Gemeinde für mich persönlich Barrieren, die es mir nur schwer oder gar nicht möglich machen, am Leben meiner Gemeinde teilzunehmen?
Ich komme mit meinem Rollator oder Rollstuhl nicht in die Kirche.
Ich komme mit meinem Rollator oder Rollstuhl nicht in die Räume der Gemeinde. Ich komme mit meinem Rollator oder Rollstuhl nicht ins Pfarrbüro.
Ich habe ein Kommunikationsproblem, weil ich Gebärdenkommunikation brauche.
Ich habe ein Kommunikationsproblem, weil ich eine technische Hörhilfe (Ringschleife, FM-Anlage) brauche, die es nicht gibt.
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Ich verstehe die Texte und Informationen nicht, weil die Sprache so kompliziert ist.
Ich verstehe die Texte und Informationen nicht, weil ich blind/sehbehindert bin und die Veröffentli- chung nicht lesen kann.
Ich verstehe die Texte und Informationen nicht, weil ich an einer psychischen Beeinträchtigung leide Ich verstehe die Texte und Informationen nicht, weil:
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Habe ich einen Lösungsvorschlag zum Abbau solcher Barrieren?
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Habe ich eine Alternative, wo ich mich seelsorglich besser begleitet fühle, als in meiner wohnortnahen Gemeinde?
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Wo würde ich mich gerne in meinem Gemeindeleben einbringen, wo würde ich gerne mitmachen?
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Was würde ich gerne anders gestalten?
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Wo sehe ich meine Kompetenzen, die das Gemeindeleben bereichern würden?
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Diese kann helfen, eine Bestandsaufnahme in der Gemeinde zu erstellen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was es schon gibt und wo man im Hinblick auf Teilhabe aller am Gemeindeleben noch weitere Ideen entwickeln könnte.
Wo sehen wir aus unserer Sicht als aktive Mitgestalter in unserer Gemeinde Barrieren in unserem Gemeindeleben, die es Menschen mit einer Behinderung schwer oder unmöglich machen, an unseren Angeboten teilzunehmen oder sich aktiv einzubringen?
Barrieren für Menschen mit Gehbehinderung
Barrieren für Menschenmit Sehbehinderung
Barrieren für Menschen mit Hörbehinderung
Barrieren für Menschen mit Lern- oder kognitiver Behinderung
Barrieren für Menschen mit psychischer Behinderung oder Erkrankung
Barrieren für Menschen mit unsichtbarer Behinderung, z. B. chronischen Erkrankungen
Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Sind mir Menschen mit Behinderungen in unserem Gemeindeleben bekannt, die ich unterstützen oder in ihren Anliegen begleiten könnte?
Was hält mich davon ab, mich aktiv für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen einzusetzen? Brauche ich Informationen, wie ich auf Menschen mit einer Behinderung zugehen kann?
Habe ich Angst, etwas falsch zu machen? Habe ich eine schlechte Erfahrung gemacht? Teilen Sie uns Ihre Meinung mit.
Traue ich Menschen mit einer Behinderung grundsätzlich zu, sich in unser Gemeindeleben aktiv einzubringen?
Wo könnten wir, Menschen mit und ohne Behinderung, miteinander Brücken bauen, damit (mehr) Menschen mit Behinderungen sich in unser Gemeindeleben aktiv einbringen können?
Sind wir nach dieser kritischen Reflexion mit allem zufrieden oder wo sehen wir eine Herausforderung, etwas zu ändern und konkret zu handeln?
Das Relieffbuch zum Dom, der Domführer für Blinde und Sehbehinderte oder der Kirchenführer zum Bonner Münster in leichter Sprache sind Dokumente, die zeigen, dass es bereits Medien gibt, die Anreiz dafür sein können, Ähnliches zu entwickeln. Als der Domführer vor einigen Jahren erschienen ist, war die Reaktion eines Menschen, der blind geboren wurde:
„Ich hab ja gar nicht gewusst, dass der Dom zwei Türme hat!“
Das Relieffbuch hat es ihm ermöglicht, mit den Fingern die Linien des Domes nachzufahren und sich die Form taktil zu erschließen. So konnte in seinem Kopf das Bild des Domes entstehen, den er noch nie gesehen hat und den er auch nie sehen wird.
Der Kölner Dom:
Ein Reliefbuch für blinde und sehbehinderte Menschen, Verlag Kölner Dom. Erhältlich vor Ort im Domladen und über:
www.verlag-koelner-dom.de, www.dzb.de
Vom Rand die Mitte sehen:
Kirchenraum elementar erleben mit Menschen mit Behinderung, Verlag Butzon und Bercker, 2013
Das Bonner Münster:
Ein Kirchenführer in Leichter Sprache. Erhältlich im Münster-Laden und über: www.bonner-muenster.de/institutionen/muenster-laden/
Die Deutschen Bischöfe:
Unbehindert Leben und Glauben teilen – Wort der Deutschen Bischöfe zur Situation der Menschen mit Behinderung, 2013, Heft 70
Diözesan Caritas Verband für das Erzbistum Köln e.V.:
Handbuch Inklusion – Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Alltag. Erhältlich über:
www.caritas.erzbistum-koeln.de
Degener, Theresia, Diehl, Elke (Hrsg.):
Handbuch Behindertenrechtskonvention, Bonn 2015 Erhältlich über:
Evangelische Kirche im Rheinland (Hrsg.):
Da kann ja jede/r kommen Inklusion und kirchliche Praxis – Orientierungshilfe Erhältlich über:
www.ekir.de/pti/Downloads/Da-kann-ja-jeder-kommen.pdf
DJK-Sportverband Köln (Hrsg.):
Sport und Spiel inklusiv erleben – Ein Leitfaden zu Organisation und Durchführung von kirchlichen Sport- und Festveranstaltungen.
Erzbistum Köln (Hrsg.):
Projekthandbuch Weltjugendtag und Barrierefreiheit zum XX. Weltjugendtag Köln 2005 www.behindertenpastoral.dbk.de
BAG Katholische Jugendreisen (Hrsg.):
Einfach weg – Auf zu inklusiven Kinder- und Jugendreisen Eine Arbeitshilfe der BAG-Katholische Jugendreisen, 2016 Erhältlich über:
Sehbehindertensonntag – Ein Tag der Begegnung www.dbsv.org
Gold-Krämer-Stiftung:
22 Beispiele Guter Inklusions-Projekte in Deutschland, Frechen 2016 Erhältlich über:
Landesverband der Gehörlosen Baden-Würtenberg e.V. und Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Baden-Würtemberg: Ein Leitfaden zur barrierefreien Kommunikation im kulturellen Bereich.
Erhältlich über: www.lv-gl-bw.de
www.sozialministerium.baden-wuertemberg.de
DJK-Sportverband Köln:
Handreichung zur Umsetzung von inklusiven Angebotsformen mit Sportbezug in der Kinder- und Jugendarbeit NRW, 2013
Auch das Individuelle braucht seinen Platz im Erzbistum Köln. Spezielle seelsorgliche Angebote für Menschen mit Behinderung finden Sie im Erzbistum Köln unter
Das Erzbistum Köln plant eine Internetseite, auf der Sie Ihre Best Practise Beispiele in Zukunft einbringen können unter
www.auf-gleicher-augenhoehe.de
unBehindert Leben und Glauben teilen
Wort der Bischöfe, Bonn, 2003, Seite 8
Rainer Maria Kardinal Woelki
Zitat aus seiner Predigt aus Anlass der Herbstvollversammlung der DBK am 25.09.2014
Bell-D’Avis, Simone
Zitat aus dem Beitrag „Inklusive Kirche“ im Heft „update – jugendpastoral, 1.2012, der Jugendseelsorge im Erzbistum Köln, Seite 4
Gedicht „Zart” in: Seelsorge und Begegnung (Hrsg.): Blickgarten, Köln 2014
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Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.
Die CO2-Emissionen dieses Printprodukts werden in einem zertifizierten Klimaschutzprojekt der klima-kollekte.de kompensiert.
Damit beteiligt sich das Erzbistum Köln an einem verantwortungsvollen und ökologischen Umgang mit der Schöpfung.